Tim Melkert
Wer ist eigentlich Tim Melkert?
Hach, wenn ich das selber immer nur so genau wüsste. 😉 Ich bin in jüngeren Jahren vor allem durch meine Leidenschaft für Mathematik und durch meine Dauerbeatmung über Trachealkanüle, die ich seit 1993 habe, zutage getreten. Heute bin ich 32 Jahre alt und interessiere mich auch für andere Dinge, wie wie Brett- und Kartenspiele, Reisen, gutes Essen, Rockmusik und Politik.
Der Fokus meines politischen Interesses hat sich im August 2019 verschoben. Zunächst habe ich vor allem die politische Lage in den USA verfolgt. Seit der erste Referentenentwurf für ein Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz (damals RISG, heute GKV-IPReG) öffentlich wurde, beobachte ich die politischen Entwicklungen in Deutschland.
Mein Engagement in den sozialen Netzwerken ebbte eigentlich ab, aber seit Veröffentlichung des GKV-IPReG bin ich dort zu diesen Thema sehr aktiv. Ich würde sagen, dass ich seitdem ein regelrechter Twitter-Troll bin. Ich habe auf diesem Weg viele liebe Menschen kennengelernt. Die aktuelle Bundespolitik frustriert mich, aber angetrieben durch viele andere Menschen in der Community habe ich im Mai 2020 auch angefangen zu bloggen. Zudem habe ich habe speziell zum erwähnten Intensivpflegegesetz auch schon mehrere Interviews gegeben.
Was macht dich sprachlos?
Wenn andere Menschen denken, ich sei sprachlos. 😉 Im wahrsten Sinne des Wortes, weil es mir schon seit meiner Jugend ein großes Anliegen ist, über die Möglichkeiten des Sprechens mit Trachealkanüle aufzuklären. Leider bestehen sowohl gesellschaftlich als auch im medizinischen Bereich noch viele Mythen über Beatmung generell und auch über die invasive Beatmung im Besonderen. Selbstverständlich möchte ich nicht behaupten, dass speziell das erste Jahr als Kind mit der Trachealkanüle ein Zuckerschlecken gewesen wäre und ich bin keineswegs befugt, anderen Menschen zu einer oft hochemotionalen Entscheidung für oder gegen eine bestimmte Beatmungsform zu raten. Aber manch vor einigen Jahren gehörte Argumente (das Kind solle doch noch einmal Mama sagen können) tun sehr weh, weil sie für mich nicht wiedergeben, zu was das Hilfsmittel (!) Beatmungsgerät imstande ist.
Gesetze wie das GKV-IPReG, die beatmeten Patienten die Autonomie und Entscheidungsfähigkeit absprechen und das Beatmungsgerät ausschließlich als Hindernis für ein erfülltes Leben sehen, werfen nicht nur mich, sondern auch andere Betroffene sowie mehrere engagierte Pflegekräfte und Ärzte in unserem Kampf um mehrere Jahre zurück.
Mathematik
Ich gebe zu, mich mit meinem Interesse für die Wissenschaft Mathematik (die meines Erachtens in der Schule zumeist völlig falsch unterrichtet wird, anderes Thema, zu dem ich mich auch bei Twitter regelmäßig auslasse) in der Inklusionscommunity in einer sehr kleinen Minderheit zu befinden. Schon im Kinderkrankenhaus, speziell im Zuge meines längeren Aufenthalts nach dem Luftröhrenschnitt mit 4 Jahren, habe ich das Personal mit Rechenaufgaben terrorisiert. Zahlen waren für mich eine, zum Glück unendlich große, Spielwiese, für die ich außerdem bis auf meinen Kopf keine andere Voraussetzung brauchte. Ich brauchte immer geistige Herausforderungen und sehe die abstrakte Mathematik noch heute wie ein riesiges Puzzle, weshalb technische Anwendungen für mich persönlich auch heute noch eher sekundär von Interesse sind. Meine Promotion in arithmetischer Geometrie ruht leider seit September 2020 auch aufgrund psychischer Schwierigkeiten, bei denen die Pandemie sicherlich auch nicht ganz unschuldig gewesen ist, aber ich betreue aktuell mehrere Nachhilfeschüler und bin mir sicher, dass ich die Mathematik auch in meinem weiteren (derzeit leicht ungewissen) beruflichen Werdegang nie so ganz aufgeben können werde.
Wo steht die Pflege momentan?
In einer schwierigen Lage. Insbesondere, weil die aktuelle und scheidende Bundesregierung Pflege, bedürftige Menschen und allgemein die Gesundheitspolitik primär als Kostenfaktor angesehen hat. Wichtig ist, dass die Pflege in vollstationären Einrichtungen weder für angehende Pflegekräfte noch für junge Menschen mit Behinderung stillschweigend und automatisch zur Norm erklärt wird. Deshalb besteht oberste Priorität darin, gegen Gesetze wie GKV-IPReG zu kämpfen und deren Umsetzung äußerst kritisch zu begleiten.
Darüber hinaus müssen Berufsbilder wie beispielsweise die persönliche Assistenz, aber auch beispielsweise Kinderkrankenpflege oder individuelle Pflegekoordination, deutlich sichtbarer gemacht werden. Im Falle der persönlichen Assistenz als eigenständiger Beruf überhaupt erst anerkannt werden. Gesetze wie das GKV-IPReG sprechen nicht nur uns Betroffenen das Urteilsvermögen und die Entscheidungsfähigkeit ab oder die Fähigkeit anzuweisen. Sie beleidigen gewissermaßen auch die bisherige Arbeit unserer Assistenten und Pflegekräfte.
Mehr zu Tim:
Link zu einem Podcast, in dem ihr Tims Gedanken zum IPReG erfahrt